Der Jakobsweg im Winter ist eine besondere Erfahrung für Pilger, sowohl körperlich als auch psychisch. Denn wer sich in den Wintermonaten auf den Weg nach Santiago de Compostela macht, der braucht nicht nur ein dickes Fell. Seit 2019 war ich vier Mal auf dem Camino Francés im Winter unterwegs. Hier erfahrt ihr, was ich gelernt habe: 

 

Lohnt sich der Jakobsweg im Winter?

Die kurze Antwort lautet schlichtweg: JA! Eine Pilgerreise im Winter ist eine echte Herausforderung. Der Rucksack ist schwerer, die Wege anstrengender, aber du sammelst jeden Tag auch ganz besondere Erfahrungen. 

Das Wetter auf dem Camino Frances im Winter

Der Verlauf des Jakobswegs ist im Winter fast derselbe wie in den anderen Jahreszeiten. Aufgrund der Nähe zum Golf von Bizkaya kann das Wetter jedoch kurzfristig umschlagen. Regen, Schnee und Winterstürme gehören dazu. Das solltest du in jedem Fall berücksichtigen, wenn du deine Sachen packst.

Start in Saint-Jean-Pied-de-Port

Abhängig von der Wetter- und Schneelage musst du außerdem möglicherweise deine Route flexibel gestalten. Das gilt bereits ab Tag 1 deines Camino: Der klassische Einstieg in den Camino Francés erfolgt über die Route Napoléon ab Saint-Jean-Pied-de-Port, also über die Pyrenäen. Bei Extremwetter kann dies nicht nur gefährlich, sondern sogar lebensbedrohlich sein! Der höchste Punkt dieser Etappe liegt auf knapp 1.400 Metern, die Anstiege sind steil und die Abstiege ebenfalls. Hinzu kommt, dass du auf rund 18 Kilometern keine Möglichkeit hast, dir Lebensmittel oder Wasser zu beschaffen. Es gibt lediglich zwei Nothütten (Refugios), die weder über Strom noch Wasser verfügen.

Eine Alternative ist die Winterroute, die ebenfalls in Saint-Jean-Pied-de-Port startet. Über Valcarlos, den ersten Ort in Spanien, gelangst du nach Roncesvalles. Dabei musst du jedoch nicht über die Pyrenäen laufen, sondern gehst neben ihnen entlang. Damit ist diese Strecke im Winter deutlich sicherer und sobald nur ein wenig Schnee liegt, ist sie schlichtweg zu empfehlen!

Etwas schlicht, etwas trist: Ein Pilger auf dem Jakobsweg im Winter.

Die Meseta: Bloß nicht von der Tischplatte wehen lassen

In Spanien sind Winterstürme keine Seltenheit. Besonders auf der Meseta, jener flachen Hochebene zwischen Burgos und León, kann der Wind nahezu ungehindert an Kraft gewinnen. Die Landschaft dieser Region ist landwirtschaftlich geprägt, sodass es durchaus akzeptabel ist, sie einige Etappen lang aus dem Busfenster zu betrachten.

Und auch im späteren Verlauf kann dir das Wetter noch einen Strich durch die Rechnung machen. So führt der Abschnitt zwischen Astorga und Ponferrada über die Montes de León und damit zum Cruz de Ferro, der höchsten Stelle des Camino Francés. Auch hier gibt es eine Alternativroute, die durch die Täler führt, falls der Pass mit Schnee bedeckt ist.

Gefrorener Weg am Aufstieg zum Cruz de Ferro auf dem Jakobsweg im Winter


Spanisch auf dem Camino: Wie weit komme ich mit Englisch?

Der Camino Francés ist ein spanischer Pilgerweg. Ab der zweiten Etappe ist Spanisch Amtssprache. Heißt das, dass du Spanisch können musst? Grundsätzlich nicht, aber es ist sehr hilfreich!

Denn auch wenn in vielen Herbergen Freiwillige aushelfen, die gutes Englisch und zum Teil sogar Deutsch sprechen, ist es von Vorteil, wenn du Spanisch sprichst, um dich in Bars und kleineren Dörfern zurechtzufinden und Dinge zu organisieren. Besonders im Winter kann es sein, dass Pilgern nur Einheimische begegnen, die kein Englisch sprechen. Damit ist es nicht nur eine Frage der Höflichkeit, sondern es ist sogar notwendig!

Herbergen im Winter auf dem Camino Francés

Der Camino Francés zeichnet sich durch seine hervorragende Infrastruktur aus. Selbst kleine Orte wie O Cebreiro können in der Hauptsaison eine hohe Zahl an Pilgern unterbringen, egal ob in einer einfachen Herberge, Pension, einem Hostel oder einem Hotel. In der Regel findet ein Pilger in einem Ort, in dem es mehr als ein Haus gibt, eine Schlafgelegenheit.

Zusätzlich zu den vielen privaten Anbietern gibt es auch staatliche Unterkünfte, die es Pilgern ermöglichen, den Camino im Winter zu laufen. Grundsätzlich gibt es auf allen Jakobsweg-Routen eine Art Notversorgung für Pilger, die im Winter unterwegs sind. So findet sich von Saint-Jean-Pied-de-Port bis nach Santiago de Compostela mindestens alle 25 Kilometer eine Herberge mit geöffneten Toren.

(🔗 Die aktuelle Liste von Aprinca mit Herbergen findest du hier)

Zusätzlich gibt es verschiedene Apps, die ihre Informationen von dieser Seite beziehen.

Wenn du nur die letzten 100 Kilometer pilgern möchtest, kannst du auch die staatlichen Herbergen ansteuern: Galicien hat seine Herbergen das ganze Jahr über geöffnet, informiert darüber jedoch nicht tagesaktuell im Netz.

Verschlossener Schlafsaal auf dem Jakobsweg im Winter



Tourigrinos vs Peregrinos - Sei achtsam, lieber Pilger!

Spanien ist ein wundervolles Land voller netter Menschen. Doch die Zahl der Pilger, die jedes Jahr nach Santiago wandern, wird immer größer. Vereinzelt begegnen einem Menschen, die den Massentourismus satt haben. In der Hauptsaison wird der Pilgerweg von Tausenden überrannt, der Tourismus brummt und alle wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Das lockt nicht nur Pilgerinnen und Pilger, Peregrinas und Peregrinos, nach Spanien. Immer mehr Tourigrinos – ein Mix aus Touristen und Pilgern – überfluten den Weg. Diese gehen meist nur die letzten 100 bis 200 Kilometer und sind tagsüber am Bier in der Hand zu erkennen. Pilgern als wohltemperierter Abenteuerurlaub.

Der französische Jakobsweg ist mittlerweile ein Paradebeispiel für Massentourismus, insbesondere in der Hauptsaison. Im Winter jedoch haben sich die Gemüter meist abgekühlt. Gastfreundschaft ist ehrlicher, die Gespräche durchaus tiefgründiger. Umso wichtiger ist es, achtsam mit deinen Mitmenschen umzugehen.

Diese drei Gegenstände brauchst du für's Pilgern im Winter

Die Temperaturen auf dem Camino Francés im Winter können sehr unangenehm werden. Das fällt tagsüber, wenn man die ganze Zeit in Bewegung ist, nicht immer auf. In den Herbergen kann es jedoch sehr schnell unangenehm werden: kalte Böden, kalte Schlafsäle und keine Möglichkeiten, nasse Sachen zu trocknen. Warme Kleidung ist die logische Konsequenz, doch die musst du auf dem Rücken herumtragen.

Hier findest du Tipps, welche Ausrüstung du auf dem Camino wirklich brauchst. Mein Motto ist: Weniger ist mehr. Trotzdem gibt es im Winter einige Luxusgegenstände, die du auf jeden Fall mitnehmen solltest. Neben der obligatorischen Regenhose ist ein passender Schlafsack wichtig. Doch auch diese drei Dinge sollten meiner Meinung nach bei einer Winterpilgerreise in Spanien nicht fehlen:

  • Thermoskanne 500ml
    Eine heiße Tasse Tee weckt die Lebensgeister, klar. Abends kannst du die Thermoskanne mit in den Schlafsack nehmen und deine Füße wärmen. 
  • Badelatschen und dicke Socken
    Die Herbergen sind selten wirklich warm, die Fußböden immer kalt. Nimm ein dickes Paar Socken mit, das locker über deine Wandersocken passt. Leichte (!) Badelatschen sorgen dafür, dass du über die Füße nicht auskühlst.
  • UV-Brille/Sonnenbrille & zwei Schlauchschals
    Es kann durchaus sein, dass du auf dem französischen Weg in einen Wintersturm kommst und dir der Wind über Stunden eiskalten Regen frontal ins Gesicht klatscht. Das kostet nicht nur Kraft, wenn du Pech hast, siehst du auch einfach nichts mehr. Hier hilft ein Gesichtsschutz aus Schlauchschals und eine Brille, damit du siehst, wohin du läufst.

 

Winter Pilgern: So ist Santiago de Compostela im Winter

Selbst in der kalten Jahreszeit erreichen täglich Pilger Santiago. Im Dezember 2023 waren es immerhin mehr als 3.500 Menschen. Die beliebteste Strecke im Winter ist der Camino Francés, die zweitbeliebteste ist der Camino Portugués entlang der Atlantikküste. Sogar den Camino Primitivo, der in Oviedo beginnt und als der anspruchsvollste Pilgerweg gilt, wählten fast 10 Prozent der Ankommenden.

Im Vergleich zur Hauptsaison ist es in Santiago de Compostela damit sehr ruhig. Nur wenige Herbergen haben geöffnet, entsprechend trifft man wenige andere Pilger. Wer auf dem Weg keine neuen Bekanntschaften knüpfen konnte, kann in der Pilgerbar Momo noch einmal sein Glück versuchen.

Ich wünsche Buen Camino!